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Fachgruppe Namibia:
Blauring / Jungwacht:namibia@jubla.ch |
Partnerschaft Nord-Süd - eine HerausforderungEs war ein mulmiges Gefühl, als wir in den klimatisierten Sitzungsraum eintraten und unsere Plätze einnahmen. Ein jahrelanges Partnerschaftsprojekt in der Vergangenheit - und was bringt die Zukunft? Darüber wollten wir an den zwei Tagen in Windhoek, Namibia, gemeinsam mit unserer Partnerorganisation Botsala Namibia sprechen. Chronik einer Herausforderung.Die katholischen Jugendorganisationen Blauring und Jungwacht existieren in zwei Ländern auf der Welt: in der Schweiz und in Namibia. Seit 1984 besteht zwischen den beiden Gruppierungen eine Partnerschaft, die ihren Sinn in der Sensibilisierung auf Nord-Süd-Fragen und im Austausch von Ideen sieht. So reisen alle zwei Jahre zehn Schweizer für einen Monat ins Partnerland im südlichen Afrika, besuchen dort Kinder- und Jugendgruppen und leben in Schwarzenvierteln; die anderen Jahre besuchen zehn namibische JW/BR LeiterInnen die Schweiz und sammeln mit offenen Augen, Ohren und Herzen Erfahrungen, Kontakte und Ideen. Auch andere Projekte prägen diese Partnerschaft: Zwischen den Kindern und Jugendlichen beider Länder entstanden Brieffreundschaften, zum zehnjährigen Jubiläum wurde ein Buch mit Texten von namibischen und Schweizer Kindern herausgegeben. 1996 fand ein vertiefter Austausch statt, indem der Namibier Joe Shikongo Mundukuta für ein Jahr auf den Bundesleitungen von JW/BR (Luzern) und die Schweizerin Martina Knaus im Head Office für katholische Jugendarbeit in Namibia (Katutura, Windhoek) für ein Jahr arbeiteten. In all diesen Projekten war uns wichtig, dass das Geld keine übergeordnete Rolle spielen durfte. Obwohl die Schweizer Seite den Grossteil der Kosten für alle Reisen übernahm, wollte man eine Ungleichheit zwischen den zwei Partnerorganisationen verhindern. Unsere Ideologie ist "gegenseitige Partnerschaft, und nicht einseitiger Geldfluss". Nun, nach gut 15jähriger Partnerschaft machten sich im Sommer 1999 einige Probleme bemerkbar, die uns ein ungutes Gefühl bei unserer Arbeit gaben. Die Kommunikation zwischen dem Head Office in Namibia und unserer Arbeitsgruppe liess trotz modernster Kommunikationsmittel zu wünschen übrig, Abmachungen wurden nicht eingehalten, das Interesse auf der namibischen Seite war nur noch wenig zu spüren, und wir brachten das Gefühl nicht los, eine Art besseres Reisebüro zu sein. Ausserdem gab es in Namibia grosse änderungen in den Strukturen der katholischen Jugendorganisationen, die uns nach Berichten persönlicher afrikanischer Freunde nicht gerecht erschienen. Nach langen Diskussionen, bei denen uns die Erfahrungen von Martina Knaus sehr hilfreich waren, entschieden wir, im Jahr 2000 keine Reisegruppe nach Namibia zu senden. Anstelle dessen baten wir die Namibier um eine Aussprache und boten an, sieben unserer Arbeitsgruppen-Mitglieder, die alle schon mindestens einmal in Namibia waren, nach Windhoek reisen zu lassen, damit die Probleme direkt besprochen werden können. Botsala Namibia war damit einverstanden: Die Idee der "Evaluation 2000" war geboren. Als erstes tauschten wir mit den Namibiern Listen mit möglichen Diskussionspunkten aus, einigten uns auf ein Datum und begannen mit unseren Vorbereitungen. Vorbereiten - worauf? Obwohl alle von uns schon einmal in Namibia waren, wussten wir nicht genau, was uns erwarten würde. Ich persönlich freute mich sehr auf diese Herausforderung; doch diese Herausforderung war schwer zu definieren. Unsere Diskussionen waren sehr emotional. Das ist auch sehr verständlich, sind wir doch alle mit Leib und Seele in diesem Projekt involviert, und wir hatten zeitweise wirklich Angst, dass die Partnerschaft nicht mehr zu retten sei. Zuerst ging es darum, einen Sitzungsleiter für die Evaluation zu finden. Wir fanden, es müsse jemand sein, der beide Kulturen kennt, der über unsere Partnerschaft Bescheid weiss und auch mit anderen, ähnlichen Projekten vertraut ist. Ausserdem musste diese Person von beiden Seiten als Respektsperson akzeptiert werden. Wir machten den Namibiern somit zwei Vorschläge: Johan Cottyn, der holländische Jugendkaplan von Fimcap, der internationalen Dachverband aller katholischen Jugendorganisationen, hatte bei uns wegen seiner Erfahrung und seiner Stellung erste Priorität. Ausserdem schlugen wir den Schweizer Benjamin Affolter vor. Er arbeitet in Windhoek als Koordinator der Entwicklungszusammenarbeits-Organisation Interteam und war als Jugendlicher selbst begeisterter Jungwächtler. In der Folge kam es zu einem Missverständnis, das uns zusätzliche Kraft und Nerven kostete. Nach einigen Wochen Hin und Her löste schliesslich ein Telefonanruf den Knoten; bei all den Krämpfen war es erstaunlich, wie gut doch das direkte Gespräch und ein Lachen weiter helfen! Wir einigten uns darauf, dass wir Judy, die Präsidentin der Fimcap Afro-Conference um Mithilfe bitten. Als nächstes Ziel setzten wir uns, unseren Standpunkt klar zu definieren. Uns war bewusst, dass wir nicht das Recht hatten, in die Strukturen unseres Partnerlandes einzugreifen. Deshalb mussten wir darüber ins Klare kommen, was eigentlich wirklich die Probleme sind und wo wir änderungen verlangen oder vorschlagen konnten. Wir stellten uns ein "worst case"-Szenario vor und überlegten uns, worauf wir im Notfall verzichten würden. Wir einigten uns darauf, schlimmstenfalls auf "Sparflamme" zu gehen, das heisst, die gemeinsamen Projekte für eine gewisse Zeit einzustellen und währenddessen unsere Arbeit in der Schweiz zu intensivieren. Die Partnerschaft abzubrechen kam für uns nie in Frage; uns allen lag dieses Projekt zu nah am Herzen, als dass wir dessen Abbruch befürworten konnten. In dieser Phase der Vorbereitungen stellten sich uns weiter führende Fragen. Wie verhalten wir uns an der Auswertungssitzung? Welches Gesprächsklima erwartet uns? Inwiefern sind unsere Differenzen kulturell bedingt und können somit auch gar nicht aus der Welt geschaffen werden? Da wir uns mit diesen Fragestellungen und Unsicherheiten überfordert fühlten, baten wir Benjamin Affolter, der gerade in der Schweiz auf Heimurlaub war, um ein Gespräch, in welchem er uns neue Einsichten über die namibische Kultur geben könnte. Diese Diskussion öffnete uns in vieler Hinsicht die Augen, ernüchterte uns und gab uns gleichzeitig ein grösseres Verständnis für die Probleme, mit denen wir zu kämpfen hatten. Wir merkten, dass wir akzeptieren müssen, dass eine Partnerschaft wie die unsere nie vollständig ausgeglichen sein kann. Wir sind nun einmal verschieden, wir haben verschiedene Möglichkeiten und Mittel, unsere Vorstellungen von Demokratie sind unterschiedlich. Nach diesem Gespräch waren wir ziemlich durcheinander. Waren diese Tatsachen eher gute oder schlechte Voraussetzungen? Schliesslich gab es noch eine änderung in letzter Minute, was die Sitzungsleitung betraf. Da Judy zu dieser Zeit nicht nach Namibia kommen konnte, mussten wir innert kürzester Zeit einen Ersatz finden. Zum Glück konnten wir auf Benjamin Affolter zählen. Teils voller Zweifel und ängste, teils voller Zuversicht reisten wir also im Herbst 2000 nach Windhoek. Wir reservierten uns ein paar Tage vor Beginn der Sitzung für letzte Vorbereitungen innerhalb der Schweizer Delegation. Ja, es war ein mulmiges Gefühl, als wir in den klimatisierten Sitzungsraum eintraten und unsere Plätze einnahmen. Wir hatten emotionsgeladene Diskussionen vor uns, wie wir es erwarteten, und dennoch kam alles anders, als wir befürchteten. Wir waren absolut überrascht von der Ehrlichkeit, die unsere Gespräche charakterisierte, eine gesunde direkte Art, die Probleme beim Namen zu nennen. Genau das hätten wir uns schon immer erträumt, aber nie zu hoffen gewagt! So werteten wir nicht nur unsere Projekte aus, schauten, was gut war, was hätte besser gemacht werden können und führten hitzige Diskussionen über die Geldfrage. Nein, wir brachten auch alle Bedenken, Unsicherheiten und Unbehagen auf den Tisch, klärten jahrelange Missverständnisse und erläuterten besondere Umstände in den beiden Ländern. Nie werde ich diese Stunden vergessen - diese riesige Erleichterung, die auf die Anspannung folgte; der minutenlange Applaus aller Teilnehmenden für das JA auf die Frage der Namibier ob die Partnerschaft weiter existieren könne. Auf dieser Basis, wo es keine Fragen und Vorwürfe mehr gab, konnten wir dann neu aufbauen. Wir stellten uns Ziele und gegenseitige Forderungen, schlugen änderungen für einzelne Projekte vor und einigten uns sogar in der Geldfrage. Wir machten natürlich mehrere Zugeständnisse, die wir nicht vorhergesehen hatten, und unsere Forderungen überdachten und änderten wir während dieser zwei Tage mehrmals. Einige Dinge mussten wir einfach stehen lassen, wie sie waren; vor allem im Bereich des Geldes mussten wir uns einmal mehr bewusst werden, dass Namibia ein Land auf dem Weg der Entwicklung ist und oft andere Prioritäten setzen muss. Dennoch konnten wir unserer Linie treu bleiben und setzten unsere Hoffnungen in das neu gewonnene gegenseitige Vertrauen. Zum Zeichen für die neu gefestigte Partnerschaft bedruckten wir füreinander leuchtend gelbe T-Shirts mit unserem Logo. Voll neuem Elan und gestärkter Motivation kehrten wir in die Schweiz zurück und konnten die anderen Mitglieder der Arbeitsgruppe mit diesem positiven Gefühl anstecken. Inzwischen ist ein halbes Jahr vergangen, und mit Stolz können wir sagen, dass das Resultat dieses Gesprächs mehr ist, als nur unser neunseitiges Protokoll und das Papier mit unseren unterzeichneten Abmachungen. Seither tauschen wir viel regelmässiger Informationen aus, und es liegt uns viel daran, einander auch "Aussergeschäftliches" mitzuteilen, wie persönliche Neuigkeiten, politische Ereignisse, oder Jugendanlässe auf nationaler Ebene. Im Juli erwarten wir wieder Besuch aus Namibia. Wir freuen uns riesig auf diesen Sommermonat, wenn wir die namibischen Gäste in unserem Land begrüssen dürfen. Im Programm darf eine Auswertung des vergangenen Jahres nicht fehlen, denn wir möchten nicht erst wieder in 15 Jahren richtig miteinander sprechen. Denn eines haben wir vor allem gelernt: trotz modernster Kommunikationsmittel ersetzt nichts auf der Welt das direkte Gespräch. Es ermöglicht nicht nur den ehrlichen und offenen Informations- und Gedankenaustausch, sondern gibt dem Projekt auch ein menschlichere Form. Ein lachendes Gesicht hilft manchmal mehr als Dutzende von Briefen und E-mails. Regula Schöb Artikel erschienen in der österreichischen Zeitschrift "Junge Kirche", Mai 2001 zurück zu: Entwicklung der Partnerschaft |
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